Vom Auftrag der Kunst
In einer Zeit, da die Kunst nicht mehr im Sold der Macht steht, da es
nicht mehr darum geht, Gott, Kaiser und Vaterland zu verherrlichen, da
das Bürgertum andere Formen der Selbstdarstellung gefunden hat und auch
der „Selbstzweck” (das „l’art pour l’art”) als Notlüge entlarvt scheint,
in so einer Zeit haben es bildende Künstler schwerer denn je. Nicht die
wenigen, sogenannten Arrivierten, deren Bilder als Hintersetzer für
Politiker-Interviews herhalten müssen, die sich Staatskünstler nennen
dürfen und doch oftmals nur Alibi-Funktionäre einer grundsätzlich an
neuer Kunst nicht interessierten Gesellschaft sind. Nein, nicht diese
wenigen haben es schwer, sondern die vielen anderen; die, die den
Brotberufen nachgehen müssen, um leben zu können und Ihre Kunst zu
machen, die um Anerkennung ringen und Präsentation betteln müssen, die
freilich genauso ernsthaft und ernsthafter noch am „Auftrag der Kunst”
arbeiten.
Dieser Katalog vereint nun drei ernsthafte Arbeiter am „Auftrag der
Kunst”, bildende Künstler, die mit ihren Bildern „mitbauen” an einer
neuen, visuellen Welt.
Auch wenn es etwas altmodisch klingen mag: einer der Hauptaufgaben der
Kunst ist es, Erkenntnis zu gewinnen und diese Form des Kunstwerkes der
Welt zugänglich zu machen. Auch wenn die Welt meist ignorant ist; mit
einer Verzögerung akzeptiert sie diese Form der Erkenntnis, ja sie macht
sich diese dann – für den Künstler oft zu spät – wie selbstverständlich
zu eigen.
Kunst schaffen hat mit Erschaffen zu tun. Der Künstler ist Schöpfer. Er
lässt im Wortsinne neue Welten entstehen. Welten, die es vorher nicht
gegeben hat, die aber mit dem Zeitpunkt ihrer Erschaffung unsere
Bewusstheit, unsere Erkenntnis, unsere Welt erweitern. Aktuelle Kunst
ist oft auch eine „Neue Sprache” mit deren Hilfe existentielle Fragen
neu, das heißt zeitgerecht beantwortet werden. Setzt sich diese neue
Sprache durch, gehört sie zum Repertoire der künstlerischen
Ausdrucksformen. Denken wir nur, welch diesbezügliche Schöpfer Künstler
wie Giotto oder Caravaggio, Cézanne oder Picasso, Max Beckmann oder
Francis Bacon waren.
Freilich geht es nicht nur um die Sprache, es geht auch um Intensität.
Kunst hat ja nichts mit Oberfläche zu tun. Es geht um Substanz,
Verdichtung, geistiges Eindringen, um Eigenschaften, die mehr erspürt
als benannt werden können; um Wahrhaftigkeit jedenfalls, dieses „Richtig
muß es sein”, Eigenschaften, die sich nicht messen und wägen lassen.
Wenn wir nun betrachten, was dieser Katalog vereint, sehen wir, dass es
um Sprache und Intensität geht. Um neue, individuelle Ausdrucksmittel
(entlang der Natur oder amorph) und um ein vertikales Eindringen; um
neue „Zeichen” und um Tiefe der Empfindung. Alles, was da packt und
fasziniert, was nachdenklich oder auch Angst macht, was uns bedroht oder
erheitert, was uns jedenfalls neugierig hinschauen lässt, verführt uns
in die richtige Richtung. Wir werden verleitet, uns in neuen Welten
umzusehen. Vorsichtig manchmal, auch befremdet – denn Neues ist immer
„befremdlich” – auf jeden Fall aber immer mit der Chance auf Belohnung.
Belohnung für die Fragen: Was passiert hier? Was will die Kunst? Was
macht sie mit mir?
Die Bereitschaft neugierig zu sein, neugierig auf Fremdes, Ungekanntes,
diese Bereitschaft ist die vielleicht wesentlichste Eigenschaft.
Wir sollten sie nützen.
(Quelle: mux w seibetseder a komluschan –
malerei-ausstellung in den räumen der fa. würth böheimkirchen)
Dr. Herbert Giese