Malerei findet statt
Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die einmal erkannte
Notwendigkeit, malen zu müssen, auch auszuüben: die vorauseilend
planende, die im nachhinein interpretierende, die schlitzohrig
beobachtende und dann selbstverständlich die entweder den Erfolg oder
die Kontroverse suchende.
Alles zusammen sind Wege des Fortkommens, die ein Gegenüber, ein
Publikum brauchen, mit diesem rechnen, spekulieren, vielleicht sogar
darauf reagieren.
Bei dem 1953 in Radstadt geborenen Wiener Maler Wilhelm Seibetseder
kommt das Gefühl auf, da malt einer mit sich selbst und lässt sich
überdies von dem, was da mit ihm geschieht, auch noch überraschen. Man
spürt förmlich, seine Bilder passieren ihm, finden statt unter
großäugigem Staunen und verblüffter Bewunderung des Ausführenden.
Befragt, gesteht er auch. Malen ist Suchen für ihn, sich leiten lassen,
sich den heranstürmenden Assoziationen hingeben. Das hat freilich nichts
mit Automatismus zu tun und willenlosem Geschehenlassen. Es scheint
eher der ambitionierte und über weite Strecken auch gelungene Versuch,
den alten Kampf zwischen Gefühl und Verstand, diesen ständigen Begleiter
in den Gefilden der Kreativität, ganz persönlich zugunsten des
Nichtrationalen
zu entscheiden. Dabei ist freilich die Bewusstheit
nicht ausgeschaltet. Im Gegenteil, sie wird zur scharfen Beobachterin
und Rückmittlerin dessen, was im Schaffensprozess geschieht.
Wilhelm Seibetseders Arbeiten sind Zeugen der Auseinandersetzung des
Malers und seines Gestaltungswillens mit den in nichtbewussten Ebenen
angesiedelten Kräften, die wirksam sind,
ob wir sie quälen oder ihnen freien Lauf lassen.
Wilhelm Seibetseder in der Galerie Ariadne 1989
(Quelle: Parnass März/April 1989)