Kunstverein Mistelbach

Ausstellung „POSITIONEN“ Franz K. Wolf, Wilhelm A. Seibetseder Barockschlößl Mistelbach

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Willi Seibetseder – Mentale Verknüpfungen

von Hartwig Knack

Bereits im ersten Moment des Erblickens ziehen uns die Bilder von Willi Seibetseder unmittelbar in ihren Bann. Abstrakte Farbwelten – meist gestisch ausformuliert – treffen hier auf versteckte figurative Elemente. Die gegenständlichen Dinge, die man beim Betrachten entdeckt, sind vom Künstler eingangs nicht mit Bedacht gesetzt, sie fließen im Laufe des Malprozesses unbewusst ein, werden von Seibetseder in Momenten des Innehaltens assoziativ erkannt und als formales wie auch symbolträchtiges Element bewahrt, teils malerisch akzentuiert und ins Bild eingebaut. Das Stichwort „Assoziation“ ist hier von großer Bedeutung. Denn nicht nur der Künstler selbst entdeckt voller Freude Figuratives in seiner anfangs eigentlich gegenstandslosen Bildwelt, sondern auch bei uns Kunstinteressierten sollen sich – dem Wunsch des Künstlers entsprechend – Gedankenfolgen aufstellen. Seibetseder spricht hier von Transformation, ein Begriff, der in diesem Kontext für ein visuelles, gedankliches und malerisches Umwandeln, Umgestalten und Umformen steht.

Ein wenig lassen die Bilder an Vexierbilder, an Suchbilder, an Bilderrätsel ähnliche Malereien und Zeichnungen denken, die eine lange Tradition haben. Sie erinnern an Bilder, die durch ihre spezielle Konstruktion aus verschiedenen Blickrichtungen unterschiedliche Bildinhalte vermitteln. Je nachdem, welche Details fokussiert werden, ändert sich das Motiv formal und inhaltlich. In Gemälden des italienischen Renaissancemalers Giuseppe Arcimboldo etwa entpuppen sich nach längerem Hinschauen Landschaften oder Felsformationen als überdimensionale liegende Köpfe. Diesen Kunstgriff haben dann später auch die Surrealisten aufgegriffen. Salvador Dalí hat das die paranoisch-kritische Methode genannt. Er wollte Zusammenhänge möglichst mysteriös und verschlüsselt, nicht auf den ersten Blick rational erfassbar darstellen.

In dieser Tradition im weitesten Sinn sind die Arbeiten von Willi Seibetseder zu verorten. Was der Künstler in seiner Malerei allerdings gar nicht anstrebt, ist die mit großem Kalkül umgesetzte Malerei eines Dalí. Der Spanier wollte seine Motive malerisch virtuos verstecken und die Betrachter:innen verblüffen, wenn sie plötzlich einem wechselnden Erscheinungsbild gegenüberstehen. Die Arbeiten von Willi Seibetseder beschäftigen sich kaum mit solchen plakativen optischen Verwirrspielen, sie markieren hingegen einen offeneren Ansatz.

In Seibetseders Bildern kann jeder von uns andere fiktive Figuren und Strukturen entdecken und sie ganz persönlich deuten. Spinnen, Vögel, Hasen, Drachenköpfe usw. tauchen auf. Ist es ein Berg, ein Baum, eine Blume oder einfach nur dick aufgetragene Farbe? Viele Optionen gedanklicher Verkettung sind möglich.

Obgleich immer wieder persönliche Erlebnisse, ein gehörtes Lied im Radio, der gemeinsame Urlaub mit dem Sohn oder die belastende Zeit der Corona-Pandemie die Hintergründe für Seibetseders Arbeiten liefern, bietet uns der Künstler zahlreiche Möglichkeiten an, emotional oder auch intellektuell ins Werk einzusteigen und die Bildgeschichte, ihre Orte, Räume und Figuren individuell weiterzudenken. Oft reichen die ausgebreiteten Schwingen eines Vogels, eine angedeutete Seerose, der Faltenwurf eines Kleides oder aus dem Dickicht blitzende Augen, die sich in den Farbstrukturen verstecken: Schon geht das Kopfkino los.

Willi Seibetseder – Mental connections

by Hartwig Knack

translated by Walter Kosar

From the first moment of sight, Willi Seibetseder’s paintings catch us immediately. Abstract worlds of color– mostly expressed gesturally – meet hidden figurative elements. The representational elements that one discovers were not initially set on purpose by the artist, they flow unconsciously into the painting process. In moments of calm they are recognized by Seibetseder associatively and, preserved as a formal, as well as a symbolic element, picturesquely incorporated into the picture.

The keyword “association” is of great importance here.

Not only does the artist himself enjoy discovering figurative elements in his initially non-objective world of images, but those of us, who are interested in art should also create sequences of impressions in accordance to the artist’s wishes. Seibetseder speaks here of transformation, a term that in this context stands for a visual, intellectual and painterly transformation, reshaping and refiguring. The images remind one a little of puzzle pictures, search pictures, paintings and drawings like mystery-images, which have a long tradition.

They remind us of pictures that, thanks to their special construction, show different images, when viewed from different directions. Depending on which details are focused, the motif changes in form and content. In paintings by the Italian Renaissance painter Giuseppe Arcimboldo for example, after you look at it for a while, landscapes or rock formations turn out to be oversized reclining heads.

The Surrealists later took up this trick.

Salvador Dalí called this the paranoid-critical method.

He wanted to present connections as mysteriously and encrypted as possible, not in a way that could be grasped rationally at first sight. The works of Willi Seibetseder can be located in this tradition in the broadest sense. What the artist does not strive for in his paintings, however, is the carefully calculated painting of a Dalí. The Spaniard wanted to hide his motifs in a virtuoso painterly manner and to amaze the viewers, when they are suddenly confronted with a changing appearance. Willi Seibetseder’s works hardly deal with such striking optical confusion, they rather mark a more open approach. In Seibetseder’s pictures, each of us can discover various fictional characters and structures and interpret them personally.

Spiders, birds, rabbits, dragonheads etc. appear.

Is it a mountain, a tree, a flower or just thickly applied paint?

Many options of mental chaining are possible.

Although personal experiences, a song heard on the radio, a vacation with his son or the stressful time of the corona pandemic, often provide the background for Seibetseder’s work, the artist offers us numerous opportunities to enter his work, emotionally or intellectually, and to dive individually deeper into this visual story, its places, spaces and characters.

Often the spread wings of a bird, a hint of a water lily, the folds of a dress or eyes flashing out of the thicket, that are hidden in the color structures are enough: The head cinema is about to begin.