Text von Hartwig Knack

Willi Seibetseder – Mentale Verknüpfungen

von Hartwig Knack

Bereits im ersten Moment des Erblickens ziehen uns die Bilder von Willi Seibetseder unmittelbar in ihren Bann. Abstrakte Farbwelten – meist gestisch ausformuliert – treffen hier auf versteckte figurative Elemente. Die gegenständlichen Dinge, die man beim Betrachten entdeckt, sind vom Künstler eingangs nicht mit Bedacht gesetzt, sie fließen im Laufe des Malprozesses unbewusst ein, werden von Seibetseder in Momenten des Innehaltens assoziativ erkannt und als formales wie auch symbolträchtiges Element bewahrt, teils malerisch akzentuiert und ins Bild eingebaut. Das Stichwort „Assoziation“ ist hier von großer Bedeutung. Denn nicht nur der Künstler selbst entdeckt voller Freude Figuratives in seiner anfangs eigentlich gegenstandslosen Bildwelt, sondern auch bei uns Kunstinteressierten sollen sich – dem Wunsch des Künstlers entsprechend – Gedankenfolgen aufstellen. Seibetseder spricht hier von Transformation, ein Begriff, der in diesem Kontext für ein visuelles, gedankliches und malerisches Umwandeln, Umgestalten und Umformen steht.

Ein wenig lassen die Bilder an Vexierbilder, an Suchbilder, an Bilderrätsel ähnliche Malereien und Zeichnungen denken, die eine lange Tradition haben. Sie erinnern an Bilder, die durch ihre spezielle Konstruktion aus verschiedenen Blickrichtungen unterschiedliche Bildinhalte vermitteln. Je nachdem, welche Details fokussiert werden, ändert sich das Motiv formal und inhaltlich. In Gemälden des italienischen Renaissancemalers Giuseppe Arcimboldo etwa entpuppen sich nach längerem Hinschauen Landschaften oder Felsformationen als überdimensionale liegende Köpfe. Diesen Kunstgriff haben dann später auch die Surrealisten aufgegriffen. Salvador Dalí hat das die paranoisch-kritische Methode genannt. Er wollte Zusammenhänge möglichst mysteriös und verschlüsselt, nicht auf den ersten Blick rational erfassbar darstellen.

In dieser Tradition im weitesten Sinn sind die Arbeiten von Willi Seibetseder zu verorten. Was der Künstler in seiner Malerei allerdings gar nicht anstrebt, ist die mit großem Kalkül umgesetzte Malerei eines Dalí. Der Spanier wollte seine Motive malerisch virtuos verstecken und die Betrachter:innen verblüffen, wenn sie plötzlich einem wechselnden Erscheinungsbild gegenüberstehen. Die Arbeiten von Willi Seibetseder beschäftigen sich kaum mit solchen plakativen optischen Verwirrspielen, sie markieren hingegen einen offeneren Ansatz.

In Seibetseders Bildern kann jeder von uns andere fiktive Figuren und Strukturen entdecken und sie ganz persönlich deuten. Spinnen, Vögel, Hasen, Drachenköpfe usw. tauchen auf. Ist es ein Berg, ein Baum, eine Blume oder einfach nur dick aufgetragene Farbe? Viele Optionen gedanklicher Verkettung sind möglich.

Obgleich immer wieder persönliche Erlebnisse, ein gehörtes Lied im Radio, der gemeinsame Urlaub mit dem Sohn oder die belastende Zeit der Corona-Pandemie die Hintergründe für Seibetseders Arbeiten liefern, bietet uns der Künstler zahlreiche Möglichkeiten an, emotional oder auch intellektuell ins Werk einzusteigen und die Bildgeschichte, ihre Orte, Räume und Figuren individuell weiterzudenken. Oft reichen die ausgebreiteten Schwingen eines Vogels, eine angedeutete Seerose, der Faltenwurf eines Kleides oder aus dem Dickicht blitzende Augen, die sich in den Farbstrukturen verstecken: Schon geht das Kopfkino los.

Willi Seibetseder – Mental connections

by Hartwig Knack

translated by Walter Kosar

From the first moment of sight, Willi Seibetseder’s paintings catch us immediately. Abstract worlds of color– mostly expressed gesturally – meet hidden figurative elements. The representational elements that one discovers were not initially set on purpose by the artist, they flow unconsciously into the painting process. In moments of calm they are recognized by Seibetseder associatively and, preserved as a formal, as well as a symbolic element, picturesquely incorporated into the picture.

The keyword “association” is of great importance here.

Not only does the artist himself enjoy discovering figurative elements in his initially non-objective world of images, but those of us, who are interested in art should also create sequences of impressions in accordance to the artist’s wishes. Seibetseder speaks here of transformation, a term that in this context stands for a visual, intellectual and painterly transformation, reshaping and refiguring. The images remind one a little of puzzle pictures, search pictures, paintings and drawings like mystery-images, which have a long tradition.

They remind us of pictures that, thanks to their special construction, show different images, when viewed from different directions. Depending on which details are focused, the motif changes in form and content. In paintings by the Italian Renaissance painter Giuseppe Arcimboldo for example, after you look at it for a while, landscapes or rock formations turn out to be oversized reclining heads.

The Surrealists later took up this trick.

Salvador Dalí called this the paranoid-critical method.

He wanted to present connections as mysteriously and encrypted as possible, not in a way that could be grasped rationally at first sight. The works of Willi Seibetseder can be located in this tradition in the broadest sense. What the artist does not strive for in his paintings, however, is the carefully calculated painting of a Dalí. The Spaniard wanted to hide his motifs in a virtuoso painterly manner and to amaze the viewers, when they are suddenly confronted with a changing appearance. Willi Seibetseder’s works hardly deal with such striking optical confusion, they rather mark a more open approach. In Seibetseder’s pictures, each of us can discover various fictional characters and structures and interpret them personally.

Spiders, birds, rabbits, dragonheads etc. appear.

Is it a mountain, a tree, a flower or just thickly applied paint?

Many options of mental chaining are possible.

Although personal experiences, a song heard on the radio, a vacation with his son or the stressful time of the corona pandemic, often provide the background for Seibetseder’s work, the artist offers us numerous opportunities to enter his work, emotionally or intellectually, and to dive individually deeper into this visual story, its places, spaces and characters.

Often the spread wings of a bird, a hint of a water lily, the folds of a dress or eyes flashing out of the thicket, that are hidden in the color structures are enough: The head cinema is about to begin.

Text aus Comic World von Hartwig Knack

Präsident des Dokumentationszentrums für Moderne Kunst in Niederösterreich
Eigentlich sei er ja Landschaftsmaler, konstatiert Seibetseder in einem Gespräch, verwende
Landschaft jedoch eher als Mittel zum Zweck, um seinen Bildgeschichten einen adäquaten Raum
geben zu können. Und doch glaubt man immer wieder, Werkinterpretationen von Landschaften
William Turners, Odilon Redons, Claude Monets oder der deutschen Expressionisten zu
entdecken: geheimnisvoll, atmosphärisch, irritierend, symbolbeladen, farbgewaltig.
Mag. Hartwig KNACK
Kunsthistoriker / Kulturwissenschaftler

President of the Documentation Centre for Modern Art in Lower Austria
Actually, he is a landscape painter Seibetseder stated in a conversation. He uses landscape
as a means to an end in order to give his picture stories adequate space. And yet, one always
believes one is discovering interpretations of landscapes by William Turner, Odilon Redon,
Claude Monet or the German expressionists: mysterious, atmospheric, disconcerting, laden
with symbols and rich with colour.
Mag. Hartwig KNACK
Art Historian / Cultural Scientist

Text aus dem Katalog Comic World von DDr. Leopold KOGLER

Seibetseder sieht sich nicht als einer, der farbige Bilder macht. Er malt Bilder wie ein loderndes
Feuerwerk. Er ist Maler. Die Farben sind sein Medium und es geht ihm um Malerei, um das
Machen von wirkungsvollen Bildern. Die Farbe erö net für ihn unendliche Möglichkeiten: Malerei
ist noch lange nicht am Ende, sie wird nie am Ende sein, weil sie zu reich ist.
Er will nichts abbilden. Er lässt die äußere Wirklichkeit zurücktreten, dafür wird der Farbauftrag
immer lodernder, er spiegelt die innere Wirklichkeit. Die Farbe züngelt, rotiert, strömt, wogt über
die Bildfl äche. Seine Malerei ist nicht nur schön, ihre Schönheit hat auch unbehagliche Momente.
In ihr brechen sich die seltsamsten Kräfte Bahn, nie lässt sich entscheiden, ob es der Maler selbst
ist, der die Farbe vor sich hertreibt, oder ob umgekehrt er von der Farbe getrieben wird.
DDr. Leopold KOGLER

Seibetseder does not see himself as one who makes colourful pictures. He paints pictures
like blazing fi reworks. He is a painter. The colours are his medium and for him it is all about
painting, about making pictures that have an impact. Colour opens up endless possibilities
for him; painting is far from over, it will never be fi nished because it is too rich.
He does not want to depict anything. He allows external reality to withdraw, to this end each
time the colour application blazes brighter and refl ects an inner reality. The colour fl ickers,
rotates, fl ows and surges over the picture surface. His painting is not only beautiful, its beauty
also contains discomforting moments. Fantastical powers break through in the paintings; it
is never possible to decide whether it is the painter who drives the colour before him, or
conversely, it is he who is driven by the colour.
DDr. Leopold KOGLER

Text – Poet der Klänge und Farben

Poet der Klänge und Farben

Die Bilderserien von Wilhelm Anton Seibetseder werden zu Stationen von imaginären Reisen, die von Klängen der Farben oder den Erzählungen der Zeichen bewegt werden und in ihrem Reservoir verschütteter, verlorener Visionen, Erinnerungen, Märchen und Träume. Irgendwie vermischen sich Erinnerungen von Ort zu Ort, es verdichtet sich zu einer dem Kosmischen zugewandten Vision. Gerade die Serie „Blue Garden“, die von Licht und Glanz, von Strahlen und Tanz durchwirkt ist, erfüllt mit einer poetischen Verführungskraft.

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Text – Welt der Farben

Welt der Farben

Wilhelm Seibetseder zeigt „Sonnentänze”

Ungehemmte Freude an der Farbe verströmen die großformatigen Acrylbilder von Wilhelm Seibetseder.

Knallgelb bis kohlrabenschwarz: Intensive Kontraste und jede Menge Farben sind die charakteristischen Merkmale der Bilder des gebürtigen Salzburgers Wilhelm Seibetseder. Das Dokumentationszentrum für Moderne Kunst zeigt zur Zeit unter dem Titel „Sonnentanz“ eine Auswahl seiner neueren Werke.

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Als unterhielte sich die ewige Harmonie mit sich selbst

Als unterhielte sich die ewige Harmonie mit sich selbst

„Nichts kann mehr zu einer Seelenruhe beitragen,
als wenn man gar keine Meinung hat”

Georg Christoph Lichtenberg

Kunstausstellungen polarisieren, insbesondere jene von Wilhelm Seibetseder. In Zeiten permanenter Abmagerungskuren sind mehrschichtig pastos gemalte Ölbilder für viele ein Gräuel, ein unverzeihlicher Rückfall in längst überwunden geglaubte Kulturepochen. Die ganz Gescheiten behaupten, die Malerei sei tot, die weniger Gescheiten lieben, sammeln und behüten sie. Ich hoffe, dass jeder kultivierte Österreicher zeitgenössische Malerei liebt oder sie zu lieben lernt. Die ganz Gescheiten bevorzugen Gedankenkunst d.i. Konzeptart, Computer- und Videokunst, Minimalart, Kontextart – und die geistig weniger Bemittelten (die Gefühlsmenschen) Expressionistisches, Gestisches, Realistisches und Neo-Impressionistisches.

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Text – Vom Auftrag der Kunst

Vom Auftrag der Kunst

In einer Zeit, da die Kunst nicht mehr im Sold der Macht steht, da es nicht mehr darum geht, Gott, Kaiser und Vaterland zu verherrlichen, da das Bürgertum andere Formen der Selbstdarstellung gefunden hat und auch der „Selbstzweck” (das „l’art pour l’art”) als Notlüge entlarvt scheint, in so einer Zeit haben es bildende Künstler schwerer denn je. Nicht die wenigen, sogenannten Arrivierten, deren Bilder als Hintersetzer für Politiker-Interviews herhalten müssen, die sich Staatskünstler nennen dürfen und doch oftmals nur Alibi-Funktionäre einer grundsätzlich an neuer Kunst nicht interessierten Gesellschaft sind. Nein, nicht diese wenigen haben es schwer, sondern die vielen anderen; die, die den Brotberufen nachgehen müssen, um leben zu können und Ihre Kunst zu machen, die um Anerkennung ringen und Präsentation betteln müssen, die freilich genauso ernsthaft und ernsthafter noch am „Auftrag der Kunst” arbeiten.

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Text – Wilhelm Seibetseder in der Galerie im Kursalon

Wilhelm Seibetseder in der Galerie im Kursalon

Mödling – Wilhelm Seibetseder, Jahrgang 1953, geboren in Radstatt/Salzburg. Absolvierte die Akademie der Bildenden Künste in Wien unter Prof. Max Weiler und Prof. Arnulf Rainer. Der Künstler, der ein weites Spektrum an Ausstellungen nachzuweisen hat, gestaltete zahlreiche Bühnenbilder – unter anderem auch zu Friedrich Guldas Konzerten.

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